Das neue Jahresprogramm ist erschienen. Hier können Sie das Intro lesen, und wenn Sie auf das Titelbild klicken, klappt das Heftchen auf, und Sie können es am Bildschirm studieren. Fall Sie das Programmheft und gelegentlich andere Faltblätter zugeschickt haben wollen, lassen Sie uns Ihre Adresse zukommen! Unseren Newsletter können Sie hier abonnieren. Hier kommt das Vorwort:
Wo sind die Grenzen des Respekts?
„Nie wieder eine Winter-WM!“, forderte der MDR-Radiojournalist Thorsten vom Wege am Tag nach dem Finale. Und die Selbstverständlichkeit, mit der er vergaß, dass diese Fußballweltmeisterschaft für alle, die auf der Südhalbkugel leben, eine Sommer-WM war, hat schon etwas Faszinierendes. Tatsächlich feierte letztes Jahr ein südamerikanisches Land ein Sommermärchen und wurde Weltmeister. Die argentinischen Sieger stemmten ihre Stammhalter in den Himmel über Katar, und die Jungs strahlten vor Stolz. Die Atlas-Löwen aus Marokko dagegen wurden nach ihren überraschenden Siegen von ihren verhüllten Müttern umarmt. Diese kulturellen Differenzen haben einen gewissen Wohlfühlcharakter. Hier ist etwas anders, aber auf eine sympathische und tolerierbare Art und Weise.
Aber was ist, wenn zur Kultur des Landes die Verfolgung der Schwulen und Lesben gehört, die Missachtung der Menschenrechte und die Kontrollen einer Sittenpolizei? Die deutsche Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser setzte ein Zeichen mit der One-Love-Binde. Gleichzeitig schloss der Wirtschaftsminister ein langfristiges Lieferabkommen für katarisches Gas ab. Je höher die Moral, je größer offenbar die Fallhöhe.
Wie im Brennglas zeigte die WM des letzten Jahres die Spannung von Moral und Interesse. Und es entstanden Fragen, die uns hier in Gera schon lange bewegen: Dürfen wir Menschen Respekt entgegenbringen, die unserer Meinung nach Menschenrechtsverächter, Demokratieskeptiker und Schlimmeres sind? Gilt gegenseitige Achtung nur für Menschen mit ähnlichen Moralvorstellungen? Muss das Gespräch enden, wenn der andere „rechtsoffen“ ist?
Die Arbeit unserer Akademie setzte in den letzten Jahren darauf, dass auch prekäre Dialoge nötig sind und deshalb geführt werden müssen. Gleichzeitig lotet unser Programm Orte der Andersheit aus. Das gilt für Störungsbilder der Seele ebenso wie für Kirchen als Orte der Andersheit und migrantische Kulturen.
Jesus hatte ein Faible für Außenseiter. Nicht alle machten ihr Unrecht wieder gut, nachdem sie ihm begegnet waren. Zu einem seiner religiösen Gegner sagte er für ihn und andere überraschend: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes!“
Wir sehen uns!
Ihr Pfarrer Dr. Frank Hiddemann (Akademieleiter)